Franziska Lawrenz, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Northeim, zur Unterstützung der Trierer Erklärung des Deutschen Städtetages durch den Rat der Stadt Northeim:

"Sehr geehrter Herr Ratsvorsitzender, sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Ratskolleginnen und -kollegen, sehr geehrte Anwesende,

ich möchte meine Rede heute gern mit einer persönlichen Geschichte beginnen. 2016 habe ich eine Schülergruppe zu einer einwöchigen Gedenkstättenfahrt nach Ausschwitz begleitet. Nachdem wir durch das Gelände geführt worden sind, haben wir mit der Schülergruppe den Tag reflektiert. Ein Schüler hat dabei etwas gesagt, was ich nie vergessen werde. Er meinte, dass er mit der Hoffnung nach Ausschwitz gekommen ist, dass es vielleicht gar nicht so schlimm war, wie man es immer überall hört und dass die Schulbücher nur übertreiben. Aber dann sagte er: „Jetzt weiß ich, es war noch viel schlimmer.“

Ich denke, wir alle waren nach dieser Woche geschockt, wütend und fassungslos und uns einig, dass so etwas nie wieder passieren durfte.

Aber was wir an dem letzten Tag dieser Fahrt beobachten mussten, war einfach unvorstellbar. Die ganze Atmosphäre in Ausschwitz ist zu tiefst bedrückend, überall spürt man den Tod und das Leid der Menschen, die hier ermordet wurden. Und in genau dieser Umgebung gab es eine unbekannte Gruppe von vier jungen Erwachsenen, die lachten, Witze machten, Kleidungsmarken trugen, die von Rechtsextremen bevorzugt werden und lustige Selfies vor Bildern mit Leichenbergen machten. Wir waren wütend, geschockt und verstört über diesen Anblick. Aber ich denke, diese von mir beschrieben Szene zeigt ganz deutlich, dass dieses Kapitel unserer Geschichte nicht abgeschlossen ist, dass es noch immer Menschen gibt, die nichts aus der Vergangenheit gelernt haben und dies auch nicht lernen wollen.

Und gerade im Januar dieses Jahres wurden uns wieder einmal die Augen geöffnet. Wir haben aus den Medien von einem Geheimtreffen in Potsdam erfahren, bei dem es um perfide Vertreibungsfantasien von Millionen von Menschen ging. Menschen, die seit Jahren in Deutschland leben: unsere Nachbarinnen und Nachbarn, Arbeitskolleginnen und –kollegen, unser Freundeskreis, Mitglieder in unseren Sportvereinen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Krankenhäusern, Pflegeheimen, Schulen, dem Handwerk und in allen weiteren Bereichen unserer Gesellschaft.

Bei der Arbeit wurde ich bereits von einem Schüler mit Migrationshintergrund gefragt, wann er deportiert wird und wie viel Zeit er noch in Deutschland hat.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich, es kann nicht sein, dass die Kinder in unseren Schulen in Angst vor ihrer Zukunft leben müssen. Das Verunsicherung, Hass und Angst in unserem Land und auch in den Städten verbreitet werden.

Ich bin wirklich dankbar dafür, dass Tausende dies nicht hinnehmen, dass sie sich wehren, dass sie auf die Straße gehen und gegen Hass und rechte Hetze demonstrieren. Und ich bin auch dankbar dafür, dass bereits hunderte Northeimerinnen und Northeimer gezeigt haben, dass wir Fremdenfeindlichkeit in unserem Land und unserer Stadt nicht dulden.

Aber auch der Rat der Stadt Northeim sollte heute klar Stellung beziehen. Deshalb unterstützt die SPD-Fraktion die Trierer-Erklärung des deutschen Städtetages aus vollem Herzen.

Die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer wurde in einem ARD-Interview gefragt, ob sie Angst habe, dass sich das, was damals passiert ist, wiederholen könnte. Ich lese Ihnen ihre Antwort vor. Sie sagte:

„Nicht wiederholen könnte. Es wiederholt sich und deshalb sage ich zu allen: helft uns, sagt was, seid offen, seid laut, wehrt euch, erzählt, was ihr wisst, dagegen sprechen, sagt etwas, benutzt euren Mund.“

Und genau das sollten wir heute tun!

Vielen Dank!"